Seemannsgarn

Ankern: kanarisch

Raus raus raus !

Endlich raus aus Las Palmas – großartig, nach zwei Monaten Stillstand.

Die Stadt erdrückt einen mit der Zeit, laut und großstädtisch ,zwar auch lebhaft und praktisch für vieles, eben aber nicht optimal um wieder richtig durchzuatmen…im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach las Galletas auf Teneriffa solls gehen, diesmal um den Norden von Gran Canaria herum, insofern der Wind denn mitspielt. Anfangs fahren wir gegenan und mitten durch eine grässliche Kreuzsee bis wir an der Nordspitze der Insel ankommen und Segel setzen können.

Bei zahmen aber gleichmäßigem Wind schaukeln wir uns langsam den Tag über an die Westküste heran und beschliessen es heute dabei zu belassen und steuern Puerto de las Nieves bei Agaete an.

Wir können zwar weder über Telefon, noch über Funk irgendeinen Kontakt herstellen, entdecken aber kurz hinter der Einfahrt eine wunderbar geschützte Bucht – zumindest nach Norden hin und da der Wind die ganze nächste Zeit aus Nordosten kommen soll, wird hier jetzt geankert.

Schluss, Aus, Fertig.

Bei 5 bis 6 Meter tiefem Wasser und einem sandigen Boden mit vereinzelten Steinen, sollte das kein Problem sein…wir gehen sogar nochmal auf Nummer sicher und setzen den Anker, immer die Gute-Seemannschafts-Geißel im Genick, ein zweites Mal – dieses Mal streng nach Lehrbuch. Mit der Marille (unserem Beiboot) wird nochmal kurz durchs Hafenbecken gepaddelt, Fotos gemacht und nach etwaigen Gefahrenzonen geschaut. Nix.

Alles ruhig, Abendessen auf dem Vordeck und Sonnenuntergang inklusive.

Für die Nacht sind Windgeschwindigkeiten um die 10 Knoten vorhergesagt aber ich stelle trotzdem den Ankeralarm am GPS und mal zum testen auf dem Handy an, schadet ja auch nichts. Eine Stunde später bläst der Wind stabil bei 20 Knoten, die Ankeralarme an beiden Geräten habe ich schon mit größerer Toleranz versehen, da das ständige Warnsignal – weil wir eben nicht maximal wenig um den Anker herum zirkeln, nicht gerade zur Entspannung beiträgt.

Gerade als ich mich auch hinlegen will, fällt mir auf, dass ich jetzt schon eine ganze Zeit auf den Windmesser schaue und mich auch an die 30er Anzeige gewöhnt habe. Abwechselnd schaue ich auf die Anzeige, mein Handy und aus dem Cockpit mit einer Taschenlampe zu den nächsten Felsen…und als ich das letzte Luk zumache, sehe ich, wie unser Nachbar in seinem Katamaran genau das gleiche macht.

Wie dem auch sei, der Wind ächzt am Rigg rum aber der Anker gibt keinen Mucks von sich also leg ich mich hin. Jetzt.

Jeder kennt das , man hat irgendwann das letzte mal irgendwas nachgeschaut und irgendwann das letzte Mal zu sich selbst gesagt : das passt schon so ! Mehr kann ich jetzt eh nicht machen und … ach, ich mach mich eh viel zu verrückt …und und und…

Das Licht ist noch keine fünf Minuten aus, als mein Handy rebelliert. Zunächst glaube ich noch an einen falschen Alarm aber als die Bugkabine mit laut ruckendem Anker-schürft-über-den-Grund-Geräusch erfüllt wird, ist alles klar.

Wir hechten zurück an Deck und während ich den Motor starte, macht Sonja sich auf zum Ankerkasten. Der Wind hat nochmal deutlich zugelegt und pfeift wie verrückt durch die kleine Bucht, selbst für Gischtfahnen ist sich das zuvor wellenfreie Wasser nicht zu schade.

Obwohl wir beide schreien kommt wenig bei dem Anderen an – ich seh nur im Augenwinkel, dass der Nachbar schon auf dem Weg in den Fischerhafen ist und einen Anleger sucht. Bei solchem Wind und dementsprechend Zug am Anker können wir Ihn unmöglich bergen, zumal Sonja alleine vorne ist, während ich versuche den Kahn im Wind zu halten.

Irgendwann klappt das nicht mehr und wir werden gedreht, ab jetzt fahren wir volle Kraft rückwärts gegenan während Sonja die Ankerkette aufholt gegen Wind, Wellen und Pantera…eine viertel Stunde später etwa merke ich dass der Anker lose schwingt, genauso wie wir, denn wir machen einen ordentlichen Satz auf die Felsen zu.

Als Sonja wenig später ins Cockpit kommt, können wir endlich wieder kurz reden und ich sag noch so : “ Boah was ist denn des jetzt ? Mir hatts grad ohne Witz sogar die Mütze vom Kopf gerissen…und ich mein, geht´ s Dir gut ? „

Sonja sagt nichts, sieht ziemlich geschafft aus von der üblen Ankeraufholaktion und schaut entgeistert über unser Heck – als ich ihrem Blick folge, sehe ich wie die Marille mit Rumpf nach oben hinter uns hergezogen wird. „Scheisse man, die war ja noch hintendran ! Egal , können wir jetzt eh nichts machen, sinken kann sie nicht “ .

Den Plan zunächst rückwärts in den Fischerhafen zu fahren verwerfe ich und wir fahren eine der sportlichsten Motorwenden, die Pantera je vollführt hat. Dabei dreht sich Marille nochmals um die Längsachse und fährt wieder aufrecht , zwar mit ca. 300 Liter Wasser gefüllt aber aufrecht, hinter uns in den Hafen. Marille hat sich erfolgreich durchgekentert.

Der Katamaranskipper ruft uns im Vorbeifahren zu, dass es keine Moorings zum Festmachen gibt in dem Hafen und wir an Ihm anlegen sollen…und eine Wende später legen wir mit viel Geächze längsseits bei dem netten Spanier an. Es stellt sich heraus, dass er aus Alicante ist und glaubt unser Boot dort gesehen zu haben – der Name kam ihm so bekannt vor.

Später, als alles verräumt und die Marille über das Vordeck herausgewinscht war…und ich gerade die kleinen Schnapsgläser mit der Ankergravur und dem Panteraschriftzug aus dem Schapp hole, schaue ich nebenbei auf das Windlog und denke “ joa stimmt, die Mütze hatts  mir tatsächlich noch nie vom Kopf gerissen „, denn da standen 42 Knoten auf der Anzeige.

*Aktuell 10. April 2017

Wir machen uns jetzt gerade auf den Weg nach Tazacorte auf la Palma um Pantera ins Dry Dock zu bringen, warum ,wieso und wie lange gibts im nächsten Eintrag